Das Leben in Sankt Georgen bis 1978
Erst im Herbst 1946 zogen die Sanktgeorgener Sachsen wieder in ihr Dorf zurück, und zwar wurden über 20 Familien ins Pfarrhaus einquartiert. Es war ein Jammerbild. In jedem Zimmer waren vier Familien mitsamt den Kindern untergebracht. Ab 1947 trafen wir uns gelegentlich an Feiertagen im Pfarrhaus, aber jedesmal mit einer gewissen Angst, weil wir noch immer verfolgt wurden.
Unsere Kirche war zu der Zeit von den Rumänen besetzt. Wir durften keinen Gottesdienst darin abhalten, es sei denn, dem ihrigen beiwohnen. Nicht einmal bei der Konfirmation wollten sie uns die Kirche freistellen. – Ende 1948 wurde bei uns die Staatsfarm gegründet. Das war für uns die Erlösung, denn von da an hatten wir ständig Arbeit und wurden in das soziale Netz aufgenommen. Unsere Sitten und Bräuche wurden wieder gefördert, und wir veranstalteten Tanzabende, an denen wir immer in unseren Trachten erschienen. Dies taten auch die Jugendlichen unserer sächsischen Nachbargemeinden Lechnitz, Jakobsdorf, Wermesch, Dürrbach, Eidau, Mönchsdorf und andre aus der Bistritzer Umgebung. Unsere Organisation hatten wir weitgehend unserm Kurator Georg zu verdanken, der auch Gottesdienste und Konfirmationsunterricht abhielt und sich beim Gemeindeamt für unsere Rechte und Zuteilungen, die zu der Zeit gab, einsetzte.
Im Jahre 1951 war es endlich soweit: Wir durften zur Kirchweih den Gottesdienst in unserer Kirch abhalten. Wir Jugendlichen hatten im Rahmen der Bruder- und der Schwesternschaft die Kirche vorher gereinigt. Seit diesem Tage hatten wir wieder ein gemeinsames Eigentum: unsere Kirche und unseren Friedhof, den wir auch durch gemeinschaftliche Arbeit in Ordnung gebracht hatten.
Das Wohnungsproblem war aber für uns noch immer nicht gelöst. Die meisten von uns Sachsen wohnten immer noch zusammengedrängt im Pfarrhaus oder irgendwo im Dorf in einer Einzimmerwohnung.
Im Jahre 1954 wurde auch in Sanktgeorgen eine Kollektivwirtschaft gegründet. Das Angebot halt auch für uns Sachsen, und wer damit einverstanden war, durfte sogar sein eigenes Haus wieder als Eigentum beziehen. Die meisten unserer Landsleute stellten dafür Antrage, obwohl es für viele materiell nachteilig war.
Für uns Sachsen war es eine große Freude, endlich wieder zwischen den eigenen vier Wänden zu wohnen, das eigene Obst und Gemüse zu ernten und alles unser Eigen nennen zu dürfen. Wir waren wieder eine organisierte Volksgruppe, wir hatten unseren evangelischen Pfarrer, für die Kinder einen deutschen Lehrer und im Kindergarten eine deutsche Kindergärtnerin. In unserer Kirche wurden wieder Trauungen und Kindstaufen nach altem Brauch vorgenommen.
Doch die Gemeinsamkeit dauerte nicht lange, denn schon Ende der 50er Jahre wanderten etliche Landsleute nach Österreich oder in die Bundesrepublik Deutschland aus, mehrere Familien siedelten nach Bistritz um.
Unsere Schar wurde immer kleiner. Ende des Jahres 1974 waren in Sanktgeorgen nur noch 76 Mitglieder unserer Evangelischen Kirche. Daher wurden wir an die Kirchengemeinde Lechnitz angeschlossen. Zu der Zeit war ich Schriftführer und bin 1975 auch zum Kurator gewählt worden.
Die Situation wurde immer kritischer. Die rumänisch-orthodoxe Kirchengemeinde drängte immer mehr, wir sollten sie ihre Gottesdienste in unserer Kirche abhalten lassen. Unsere älteren Mitglieder waren strikt dagegen, weil die Rumänen uns in den Jahren 1945 -1951 auch nie einen Gottesdienst in unserer Kirche abhalten lassen wollten. Nun wurde auch der Druck unseres evangelischen Pfarrers von Lechnitz, Ehrlich, immer größer. Im Winter 1975 hatten wir drei Stunden debattiert, und Pfarrer Ehrlich wollte unbedingt, ich sollte das schon fertiggestellte Manuskript über die Freigabe der Kirche unterschreiben, da ich ja auch für Kirche aus Tatsch unterschrieben hätte und diese Sache schon gelaufen sei. Die Kirche von Tatsch war baufällig und das Protokoll war von den dort zuständigen Presbytern und dem Kurator unterschrieben worden.
Aber unserer Mitbürger hatten alle mit einem „Nein“ abgestimmt. Erst als ich Ehrlich die Frage stellte, ob wir seinetwegen in Sanktgeorgen wären oder er unseretwegen Pfarrer sei, gab er endlich auf. Unter der Leitung von Pfarrer Haffer ließ zwar der Druck ach nicht nach, aber wir wurden immer im voraus informiert und aufgeklärt. Im Frühjahr 1977 war sogar der rumänische Bischof von Klausenburg in Sanktgeorgen anwesend. An diesem Tag war ich absichtlich dienstlich verhindert. Meine Frau war zum Pfarrhof hinaufgegangen und hatte Kirche und Pfarrhaus zur Besichtigung für den Bischof aufgesperrt. Auf die Frage des Bischofs, warum wir dagegen seien, hat meine Frau ihm die Vergangenheit geschildert und ihm gesagt, wie und wo sie konfirmiert wurde. Die Antwort des alten Mannes lautete: „Wenn das so ist, dann habt ihr ja recht. Die Rumänen sollen die Kirche bezahlen.“
So ist es dann im Sommer 1977 zwischen unserer Landeskirche und dem rumänischen Episkopat zum Verkauf der Kirche samt Turm und Glocken, des Pfarrhauses und des Friedhofs gekommen. Der Wert bezog sich auf den Betrag von 200.000 Lei, mit dem Hinweis, daß auf dem Friedhof die Gräber über 50 Jahre Land nicht gestört werden dürften. Die Schule, der Gemeindesaal und die Pfarrparochie wurden nicht einbezogen, da sie schon früher vom Staat enteignet worden waren. Für mich und die noch übrigen Sachsen war es eine schwere Entscheidung. Aber heut finde ich, daß es so richtig war, denn als Eigentum der Rumänen wird alles eher gepflegt und instandgehalten.