Flucht

Deportation

Mitte Juli 1945 wurden wir, je zwischen 60 und 70 Personen, in Viehwaggons verladen, daß wir weder sitzen noch liegen, sondern nur stehen und uns aneinander anlehnen konnten. Leute von 17 – 45 Jahre wurden extra verladen. Die älteren Leute und die Kinder wurden nach Tirgu-Jiu in ein Lager gebracht.

Auf der Fahrt durch das Banat war es sehr heiß, und wir hatten fast keinen Sauerstoff mehr in dem abgesperrten Waggon.

Auf jedem Bahnhof wollten uns die Banater Bürger mit Essen und Wasser versorgen, doch das wurde von den uns begleitenden Aufsichtspersonen strikt abgelehnt. Diese machten zwar die Türen des Waggons auf und zeigten uns den Eimer mit Wasser, gossen ihn dann jedoch aus. Einige Banater Frauen schnitten das Brot und den Speck in kleine Stückchen und versuchten so, es durch die Gitterstäbe des Fensters in den Waggon hineinzuwerfen. Etliche Stückchen erreichten zwar ihr Ziel, die meisten aber fielen zurück. In Temeschburg wurden wir mit denen, die bei der Waffen-SS gedient hatte, ausgeladen und direkt zum russischen Gefangenenlager gebracht. Zuvor hatten sie uns die Uhren und Taschenmesser abgenommen; es waren davon drei Handkoffer voll.

Vor dem Eingang aber wurden wir von den russischen Posten angehalten, wahrscheinlich weil der Einlieferungsschein nicht in Ordnung war. Nach etwa zehn Minuten kam ein russischer Hauptmann mit dem Einlieferungsschein und sah uns verwundert an. In der ersten Gruppe befanden sich die von der Waffen-SS, aber alle in Zivilkleidung.

 

Da ging er ein bißchen den Kopf drehend vorbei. Aber als er bei uns ankam und sah, daß Vater und Sohn in mehreren Fällen beieinander waren, stutzte er und fragte uns, ob wir Kriegsgefangene seien, da nach seinem Wissen in keiner Armee der Welt Vater und Sohn in derselben Einheit Militärdienst machen. Das war unser Glück, denn da durften wir uns endlich äußern, wie es dazu gekommen war und wir militärisch am Krieg überhaupt nicht beteiligt waren.

Nun sagte der Hauptmann zu unseren Begleitern: „Für diese Leute bin ich nicht zuständig. Wendet Euch an die rumänischen Behörden“. Wie haben wir uns alle in diesem Moment gefreut, denn jetzt waren nicht nur wir, sondern auch unsere Landsleute von der Waffen-SS frei von der russischen Gefangenschaft. Nun wurden wir zurück nach Temeschburg geführt und von unseren Begleitern mit geladenen Gewehren eskortiert.

Irgendwo an einer Kreuzung machten wir Halt, weil unsere Begleiter nicht einig waren oder nicht wußten, was nun mit uns geschehen solle. Etwa nach einer halben Stunde durften wir uns, müde von den Strapazen und gequält von Hitze und Hunger und Durst, mitten auf der Straße hinsetzten. Zwei unserer Bewacher waren fortgegangen, denn es standen nur noch zwei mit geschulterten Gewehren um uns herum.

Da kam ein alter Mann von ca. 80 Jahren auf uns zu. Nachdem er einige gefragt hatte, was mit uns los sei und Ihm keiner geantwortet hatte, kam er auch zu mir.

 

Schnell schilderte ich ihm, wer wir sind und daß uns diese Begleiter nach Rußland abschieben wollten, die Russen dies aber abgelehnt hätten.

In der Zeit hatte sich einer der Begleiter genähert und den alten Mann mit dem Gewehrkolben weggeschoben, so daß ihm der Hut vom Kopfe gefallen war. Mich bedrohte er zur gleichen Zeit: „Noch ein Wort, und du bist ein toter Mann!“ Der alte Mann – ich schätze, es war ein vornehmer Mann – nahm seinen Hut und sagte noch im Gehen „Juti fie frica, baiatule“, übersetzt „Keine Angst, mein Junge“. Es dauerte keine zwei Minuten, da kamen zwei berittene rumänische Kadetten, denn es muß in der Nähe eine Militärschule gewesen sein. Diese fragten sofort unsere Begleiter nach ihren Ausweisen und wer die sind und was sie mit uns vorhätten. Da sich diese am Anfang weigerten, der Aufforderung nachzukommen, hörten ich zwei schrille Pfiffe, und sofort waren wir von berittenen Militärs umstellt.

Unsere Begleiter wurden entwaffnet und es wurde festgestellt, daß sie gar nicht berechtigt waren, Waffen zu tagen. Die drei vorher erwähnten Handkoffer wurden ihnen abgenommen und alles wieder an uns verteilt, soweit es noch vorhanden war. Nun wurden wir teilweise bei deutschen Familien in Temeschburg untergebracht und durften in der militärischen Gärtnerei arbeiten.









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