„Gedanken zum Gedenken“  –  Fackelzug

Unter diesem Motto stand das Wochenende 17. – 19. Oktober 2014, an dem man in Traun der Flucht vor 70 Jahren gedachte. Mit der Evakuierung ganz Nordsiebenbürgens und einiger Grenzgemeinden änderte sich die Geschichte der Siebenbürger Sachsen grundlegend, schlug eine neue Richtung ein, die zuvor für alle unvorstellbar war. Die Bevölkerung war plötzlich auseinandergerissen  Viele der Trecks hatten in Oberösterreich Endstation und einige Gemeinden siedelten sich relativ geschlossen in Traun und  Umgebung an. Gute Arbeitsbedingungen durch die Nähe zur Landeshauptstadt zogen weitere Landsleute an und unsere Mitglieder stammen aus mehr als 40 verschiedenen Gemeinden ganz Siebenbürgens. Unsere älteren Mitglieder sind alle Zeitzeugen und haben die Flucht noch selbst erlebt – sei es mit den Trecks oder mit der Eisenbahn. Andere wiederum wurden nach Russland zur Zwangsarbeit deportiert,  viele der Männer waren im Krieg. Alle haben Not und Leid miterlebt, oft zu schrecklich, um es zu beschreiben.

Vom freien Bauern zum mittellosen Flüchtling, von einem geordneten Leben in eine ungewisse Zukunft….  Wir als Nachkommen  verdanken es unseren Eltern und Großeltern, deren Fleiß, Ausdauer und Gottvertrauen, dass wir heute in einer Demokratie und in Wohlstand leben. Wir sind anerkannte Bürger und lieben die neue Heimat ebenso wie die alte. Für uns als Nachbarschaft war es daher ganz klar, dass so ein Jahrestag nicht still und leise vorbei gehen darf, sondern dass man auch bei uns in Traun in würdigem Rahmen dessen gedenken muss. Schon bei der Einladung haben wir versucht, den Bogen von der (sogenannten?) heilen Welt in Siebenbürgen  in die heutige Zeit zu spannen, was die ausgewählten Fotos beweisen sollen: Von spielenden Kindern und  der Spinnstube über die Flucht mit Ochsengespannen und der Eisenbahn zum Leben im Lager, zum Hausbau in der neuen Heimat und schließlich wieder zu den Kindern, unserer Zukunft.

„Gedanken zum Gedenken“ wollten wir uns machen, aussprechen und andere dazu anregen, jedoch ohne ein Zuviel an Gerede. Ein Fackelzug bildete am 17. Oktober den Auftakt. Über hundert FackelträgerInnen, viele davon in Tracht, marschierten vom Siebenbürgerplatz zum evangelischen Friedhof. Der Zug wurde von den „Lustigen Adjuvanten“  angeführt, die auf dem Traktoranhänger sitzend Märsche spielten. Beim Betreten des Friedhofs verschlug es einem fast die Sprache, denn zahlreiche Helfer hatten auf allen Gräbern Grablichter angezündet und so wurde der Zug von einem Lichtermeer empfangen. Nachbarvater Dietmar Lindert brachte in seiner kurzen Ansprache auch unsere Dankbarkeit jenen gegenüber zum Ausdruck, die den Neuanfang gewagt und uns so den Weg geebnet haben– nämlich den verstorbenen Vorfahren, die  nun hier auf unserem Friedhof liegen.  Pfarrer i.R. Mag Gerhard Grager hielt eine kurze Rede zum Gedenken und sprach  und allen aus der Seele:  Ob Zeitzeuge oder Nachkomme in 3. Generation, seine Ansprache ging jedem nahe.  Jetzt, 70 Jahre danach, ist die Welt voller von Krieg, Flucht und Vertreibung  und das Thema somit brandaktuell.

Die Trachtenkapelle Traun „Siebenbürger“ unter der Leitung von Kapellmeister Roman Eidenberger umrahmte die Gedenkveranstaltung musikalisch und spielte den „Großen Österreichischen Zapfenstreich“ in leicht gekürzter Form. Die Andacht endete mit dem Singen des Siebenbürgerliedes und des „Hoamatlands“

Anschließend gab es einen Empfang im Schloss Traun. Bereits am Vormittag hatten fleißige Damen rund 800 Brötchen zubereitet  – dafür herzlichen Dank! Die  Brötchen waren schön anzusehen, schmeckten dabei noch köstlich und fanden nun klarerweise reißenden Absatz. Bei einem Glas Wein wurde ausgiebig geplaudert und eine kleine Abordnung der Adjuvanten sorgte für Begleitmusik – da dauerte es nicht lang, und schon wurde das Tanzbein geschwungen! Die Siebenbürger Jugend überraschte uns mit einer  Tanzeinlage und wir konnten uns über Ehrengäste freuen: Dank Gerhard Grager, Hannes Pitters, Dr. Stefan Cosoroaba aus Hermannstadt und Bundesobmann Volker Petri  – allesamt Pfarrer – war uns Gottes Segen sicher und der Abend ging harmonisch weiter. Auch unsere Vizebürgermeister Rudi Scharinger und Günter Geisberger leisteten uns gerne Gesellschaft.

Herzlichen Dank allen Mitwirkenden und TeilnehmerInnen sowie den vielen fleißigen Händen, die zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben!

 

(Irene Kastner)

Fackelzug (1)

Fackelzug (2)

Fackelzug (3)

Fackelzug (4)

Fackelzug (5)

 

 

Nachstehen die Gedanken von Pfarrer Mag. Grager

Sehr geehrte Festgäste,

liebe Nordsiebenbürger!

 

Umhergetrieben vom Unfrieden in der Welt und der Angst und Unruhe in unseren Herzen und Gedanken, treffen wir uns hier auf dem Evang. Friedhof. Von A. Schweitzer stammt der Satz: Die Kriegsgräber und Denkmäler sind die großen Prediger des Friedens. Um den Frieden geht es auch heute, wenn wir der Flucht vor 70 Jahren aus Nordsiebenbürgen gedenken. Darum wollen wir all derer gedenken, die durch Flucht, Krieg, Vertreibung und Gewalt umgekommen sind. Gedenken wollen wir unserer Vorfahren deren Gräber und Friedhöfe verwüstet und zerstört wurden, oder deren Grab wir nicht kennen. Gedenken auch der Vorfahren, die die Flucht überstanden haben und die den Neuaufbau gewagt und hier auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Wir leben leider auch in einer Zeit, wo Millionen von Menschen wiederum auf der Flucht sind oder vertrieben werden. Man hat den Eindruck die Welt gerät aus den Fugen und die Menschheit lernt nie dazu.

Mit der Erinnerung an die Flucht der Nordsiebenbürger vor 70 Jahren, die 1944 mitten im Kriegsgeschehen stattfand und der Beginn einer Massenflucht aus allen Ostgebieten werden sollte, wollen wir heute ein Zeichen setzen, um an die Not, den Tod und den Verlust der Heimat zu erinnern und damit zugleich auch an die Vernunft der Kriegstreiber appellieren, mit friedlichen Mitteln Probleme zu lösen.

Wir wollen auch unsere Dankbarkeit nicht vergessen, die uns diese nun unsere neue Heimat, geschenkt hat, in der wir eine neue Existenz in Geborgenheit, Friede, Wohlergehen und Wohlstand erleben dürfen und diese wollen wir beschützen und bewahren helfen.

Zum Gedenken gehört vor allem die Erinnerung an die eigene Geschichte, damit die Spuren– unserer Vergangenheit – nicht ganz verwischt oder gelöscht wird, sondern dass wir das Wertvolle und das Prägende der über 850jährigen Geschichte aus der alten Heimat mitnehmen, erhalten und bewahren. Ja Einbringen in die Kultur dieses Landes, unserer neuen Heimat und dadurch in seiner Vielfalt es bereichern.

 

Viele, auch das ist unsere Geschichte, können und konnten nicht über das Geschehene sprechen, weil sie gleich als Teil der Pauschalschuld der Deutschen gesehen wurden und standen unter dem ständigen Verdacht des Revanchismus. Die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben wurden als Sündenböcke für das Desaster verantwortlich gemacht, in das Rumänien als Bündnispartner Deutschlands geraten war, obwohl sie keinen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik hatten, somit auch nicht die „fünfte Kolonne“ bildeten.

Man hört heute nicht gerne davon, es passt nicht ins Geschichtsbild derer, die die Steine geworfen haben und deren Nachkommen nun Denkmäler daraus bauen.

Aber nicht vergessen darf man auch die Schuld durch die unkritische Begeisterung und Nibelungentreue der Volksgruppe, für alles was aus dem sog. „Reich“ kam.

Als Entschuldigung, die keine ist, muss man auch daran erinnern, dass man immer ein Spielball der Herrschenden war, die unsere Loyalität mit lauter Versprechungen missbraucht haben.

Geschichte heißt, das Geschehene nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern aufarbeiten und daraus lernen. Wir haben die innere Freiheit als Christen gleichermaßen Schuld zu bekennen, von Verletzungen zu sprechen und für Versöhnung einzutreten.

 

Diese kluge und versöhnliche Haltung , auch wenn es vielleicht dem einen und dem anderen noch weh getan hat, haben wir mitgetragen und dürfen ein wenig auch stolz und dankbar sein, dass wir ohne viel Aufhebens zur Versöhnung bereit waren und sind.

Der Fackelzug heute ist ein Symbol, dass wir zum Leben Licht brauchen in der Dunkelheit, um eine notwendige Orientierung und Wegweisung zu haben. Damit wir in der Dunkelheit dieser Welt nicht auf Marktschreier und Weltverbesserer, Fanatiker, hineinfallen und uns verführen lassen, sondern zielgerichtet durchs Leben schreiten können.

Dazu hilft uns die lebendige Erinnerung der Eltern, der Groß-und Urgroßeltern, die das Weltbild der jetzigen Generation mitgeprägt haben und letztlich auch beigetragen haben, dass in unserem Land die Neutralität, die Demokratie und der Friede bewahrt werden kann, soll und muss.

Und das Wissen: Gottes Gabe ist das Leben.

Unsere Aufgabe ist es anzunehmen, es zu bewahren, weiterzugeben und zu tragen.

Dann haben auch die Gedenktage einen bleibenden Sinn und ihre Rechtfertigung.

 

 

 

 

 

 

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