Siebenbürger Sachsen aus Traun beim Münchner Oktoberfest 2015
Links, zwo drei vier, links, zwo drei vier, links, zwo drei vier….. Hinter mir und den über 9000 anderen Trachtenträgern und –innen lagen 7 flotte Kilometer durch die Münchner Innenstadt. Im Gleichschritt Marsch – Reihenabstände einhalten, den richtigen Abstand in unseren Fünferreihen einhalten, fleißig winken und lächeln bei einem ganz schön flotten Tempo – eine gar nicht so einfache Aufgabe! Außerdem versuchen wir elegant den „Roßknödeln“ auszuweichen, welche die beim Umzug beteiligten Pferde hinterlassen haben. Neben den Prachtgespannen der Münchner Brauereien, meist stattlichen Kaltblütern, nahmen nämlich über 40 festlich geschmückte Festwägen teil – und diese vielen Pferde hinterlassen ab und zu einmal etwas in den Münchner Straßen! Wenige Meter noch, und wir hatten unser Ziel erreicht, die Münchner Wies´n. Der Durst war schon groß, aber das Lächeln und Winken fiel mir und den anderen angesichts der zigtausenden Menschen, die während dieser 7 km am Straßenrand standen und uns zujubelten, nicht schwer, im Gegenteil: Dabei sein zu können beim Höhepunkt des 182. Münchner Oktoberfestes, dem Trachten- und Schützenzug, zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht!
9129 Mitwirkende inklusive mir (diese Zahl entnahm ich zumindest der Pressemappe des Festrings) bildeten an diesem 20. September 2015 einen in 60 Zugnummern gegliederten Tausendfüßler, der sich durch die Münchner Innenstadt zur Oktoberfestwiese wand. Welche bunte Vielfalt an von Trachten und Brauchtum! Aus praktisch ganz Deutschland nahmen Trachten-, Schützen und Musikvereine teil – von der Gruppe aus Nordfriesland (die Damen von der Insel Föhr in ihren wunderschönen, althergebrachten Trachten entpuppten sich später im Bierzelt übrigens nicht als nordisch-kühl, sondern richtig temperamentvoll) über die wie einst D´Artagnan und seine Musketiere gewandeten Kölner der Korpskapelle „Jan von Werth“ bis hin zum Münchner Traditionsverein war das ganze Land vertreten. Wobei die Gruppen aus der Region, also Oberbayern, natürlich schon stark in der Mehrzahl waren.
Festlich gekleidete Trachtler wechselten sich mit Sport- und Gebirgsschützen, Musikkapellen, historischen Trachtengruppen, Spielmanns- und Fanfarenzügen und Fahnenschwingern ab. Viele der Teilnehmer kamen auch aus anderen Ländern – neben Österreich aus Südtirol, der Schweiz, Polen, Kroatien usw. Eine Gruppe ganz in unserer Nähe waren die „Kroaten zu Pferd“ – ähnlich gekleidet wie Kosaken, beheimatet in Mittelfranken und mit ihren großen Pferden der seltenen Rasse „Knabstrupper“ – die sind überwiegend weiß mit schwarzen Punkten – ein äußerst interessanter Blickfang! Die Reiter vollführten während des Umzugs sogar Kunststücke auf ihren Rössern und ernteten dafür stürmischen Applaus!
Das „Münchner Kindl“, ein zartes, blondes Geschöpf, das jedes Jahr neu gekürt wird, führte den Zug hoch zu Ross an….. und mittendrin, mit Zug Nummer 46, wir – 100 Personen aus Traun! Vorneweg Rebecca mit unserer Tafel, es folgten der Stabführer der Trachtenkapelle mit Lena und Carina als Marketenderinnen, die Trachtenkapelle, die beiden Fahnenjunker mit der Vereinsfahne und dann wir in 14 5er Reihen. Pfarrer Mag. Georg Zimmermann samt Lebensgefährtin Gertraud, Verbandsobmann Kons. Manfred Schuller und Frauenreferentin Ingrid Schuller waren mit dabei, worüber wir uns ganz besonders freuten!
Aber zurück zum Anfang: Siebenbürgen wird jedes 2. Jahr durch eine Trachtengruppe vertreten und 1987 waren von der Siebenbürger Jugend Traun bereits einmal mit 26 Personen dabei – damals als Teil der Gruppe des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Zwei andere – meine Cousine und ich – gingen 1996 bei einer Gruppe der HOG Rode aus Deutschland mit. Alle erinnerten sich daran als etwas Besonderes, auch wenn die meisten Erinnerungen schon verblasst waren… jedenfalls sprachen wir seit Jahren darüber, uns wieder einmal zu bewerben. Das wurde Jahr um Jahr hinausgeschoben. Nachbarvater Dietmar Lindert schickte heuer im Frühjahr kurzerhand eine Bewerbung an den Festring München ab und schon bald darauf erhielten wir eine positive Antwort. Unsere Teilnahme beim Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes war somit fix! Auf uns wartete jetzt eine Menge Arbeit, denn wir sollten und wollten eine stattliche Gruppe von insgesamt 100 Personen inkl. einer Musik sein. Dietmar informierte die Trachtenkapelle Traun „Siebenbürger“, ob sie uns nach München begleiten wolle – die waren natürlich begeistert und bereitete sich in Folge mit Marschproben usw. darauf vor.
Wir entwickelten eine Art Schlachtplan. Die „Alte Jugend“ und die Siebenbürger Jugend waren sofort Feuer und Flamme und im Prinzip geschlossen bereit, mitzukommen. Dazu wurden noch einige Verwandte, Freunde und weitere Nachbarschaftsmitglieder zum Mitfahren animiert. Eine ganz wichtige Voraussetzung für alle Teilnehmer war, gut zu Fuß zu sein – schließlich galt es, einen rund 7 km langen Marsch durchzustehen.
Die Teilnahmebedingungen auch hinsichtlich Trachten und Erscheinungsbild sind generell sehr streng, stellten für uns aber kein Problem dar. Die Mitglieder der Siebenbürger Nachbarschaft Traun stammen aus über vierzig verschiedenen Gemeinden in ganz Siebenbürgen. Um ein möglich einheitliches Erscheinungsbild zu gewährleisten, entschieden wir uns für die Tracht des Nösnerlandes. Ein Großteil unserer Vereinsmitglieder stammt bekanntlich aus Nordsiebenbürgen und sie bzw. deren Eltern und Großeltern konnten im Rahmen der Flucht mit Trecks ihre wertvollste Habe mitbringen. Deshalb sind in und um Traun besonders viele Originaltrachten aus dieser Trachtenlandschaft erhalten und die meisten der Teilnehmer verfügen somit über ihre eigene Tracht, die nur mehr den letzten Schliff benötigte. Auch die nicht dem Nösnerland entstammenden „Gastarbeiter“ wie meine Wenigkeit waren deshalb problemlos einzukleiden.
Je näher der Termin rückte, desto emsiger wurden wir! Vom mit Borten, Häubchen, Kopftuch oder Männerhut bedeckten Scheitel bis zu den in (sauber geputzten) Schnürschuhen und Stiefeln steckenden Zehenspitzen musste alles perfekt sein, und auch dazwischen gab es jede Menge Arbeit – Schürzen und Hemden waren zu bügeln, dies und das enger oder weiter zu machen, zu erneuern, schadhaftes auszubessern, vieles auszuborgen, und, und, und. Viele besorgten sich bei den Blumengeschäften und Gärtnereien der Umgebung Gerbera-Schachteln, da sich diese perfekt zum sicheren Transport der Trachten eigenen. Nachbarvater Dietmar Lindert hatte in diesen Wochen stets alles im Griff, dirigierte sein Team und verlor nie den Überblick.
Dann war es endlich soweit: Am 19. September verstauten wir unsere Gerberaschachteln, die Musikinstrumente und das rechtliche Gepäck und fuhren um 10 h los. Zur Mittagszeit legten wir eine Essenspause ein. Kabanossi, Essiggurken, Semmeln, Käse und Trauben bildeten das einfache Mahl, das in der frischen Luft einfach köstlich schmeckte! Dazu stießen wir mit Bier und Wein auf das kommende Wochenende an. Zunächst steuerten wir unser Quartier am Starnberger See an, das Johannes Teutsch für uns reserviert hatte. Leider hatten wir keine Zeit, die zauberhafte Landschaft am See zu genießen, da wir als erstes wieder Trachten und Instrumente sicher in den Zimmern deponierten. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es – zünftig in Dirndl und Lederhosen gekleidet – wieder zurück nach München zur Wies´n, wo wir uns in kleinen Gruppen und je nach Lust und Laune amüsierten. Ob Bierzelt oder Ringelspiel, für jeden war etwas dabei. Ein kurzer, aber intensiver Wolkenbruch machte uns einen Strich durch die Rechnung – unsere gute Laune ließen wir uns davon nicht austreiben! Nach der Ankunft im Hotel um halb Elf nahmen einige noch einen Schlummertrunk als Tagesausklang und zur Einstimmung auf den kommenden großen Tag.
Die Nacht war kurz, denn wir hatten einen straffen Zeitplan: 6 Uhr Frühstück, 7.15 Uhr Abfahrt nach München – um 9.15 Uhr sollten wir geschniegelt und gestriegelt beim Aufstellungsplatz sein! Beim Parkplatz auf dem Großmarktgelände kam daher kurz ein wenig Hektik auf – den Mädchen der Jugend wurden noch die Borten aufgesetzt, die Frauen vollendeten die Bockelungen, die Burschen legten die Kotzen und Hüte an usw. Jedes weibliche Wesen unserer Trachtengruppe bekam ein kleines Blumensträußchen – ganz so, wie einst beim Kirchgang in Siebenbürgen, war ein Rosmarinzweiglein dabei. Schließlich waren wir fertig und bestiegen die Shuttlebusse, die uns in die Nähe unseres Aufstellungsplatzes brachten. Trotz der frühen Uhrzeit warteten bereits hunderte interessierte Zuschauer und sicherten sich die besten Plätze.
Nun hieß es erst einmal warten, warten, warten. Wir hatten fürs gesamte Wochenende Wolfgang Luif engagiert, einen professionellen Fotografen, und nutzten die Wartezeit nun u.A: für Gruppenfotos. Hans Werner Schuster, der Bundeskulturreferent der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, besuchte uns am Aufstellungsplatz, um uns persönlich zu begrüßen. Und einige Kapellen in unserer Nähe – auch die Trachtenkapelle – überbrückten die Wartezeit, indem sie abwechselnd Musikstücke zum Besten gaben! Zwischendurch kontrollierten wir gegenseitig den korrekten Sitz der Häubchen, Schürzen usw. und trieben manchen Schabernack.
Irgendwann zwischen Elf und halb Zwölf hatte die Warterei ein Ende. Ja, bis sich so ein langer Festzug mit tausenden Menschen und Pferden in Bewegung setzt, das kann dauern – aber einmal in Fahrt, ist er nicht mehr zu stoppen! Bis zu unserem Ziel, der Theresienwiese, kam der ganze Zug insgesamt keine 3 Minuten zum Stillstand – es ging die ganze Zeit mit relativ hohem Tempo dahin. Der Trachten- und Schützenzug fand erstmals im Jahre 1835 zu Ehren der Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese von Bayern und dem 25-jährigen Bestehen des Oktoberfestes statt und wird jährlich live vom ARD übertragen. Mehr als über eine Million Zuschauer weltweit sieht sich den Umzug im Fernsehen an und wir winkten und lächelten daher alle besonders freundlich in die aufgebauten Fernsehkameras.
Am Wies´ngelände marschierte unser Zug direkt zur Ochsenbraterei, dem Festzelt der Spatenbrauerei, wo für uns Plätze reserviert waren. Nun empfingen wir die „Gage“ für unsere Teilnahme – eine Maß Bier und ein halbes Grillhenderl. Es schmeckte einfach köstlich! Wir waren alle müde, aber glücklich und zufrieden und bester Laune. Die Stimmung in dem riesigen Festzelt war Spitze, dafür sorgten die auftretenden Musikkapellen und Bands. Wir heizten die Stimmung noch weiter an als Animateure fürs ganze Zelt und so dauerte es nicht lange, bis viele auf den Bänken standen und mitklatschten und –sangen. Gute Laune ist zum Glück ansteckend!
Wenn´s am schönsten ist, soll man bekanntlich gehen: Um Viertel nach Drei verließen wir unser Zelt und formierten uns zum Abmarsch. Vorher spielte die Trachtenkapelle noch ein Ständchen auf und wir wagten, umringt von neugierigen Zuschauern, ein Tänzchen. Dann ging es im Block durchs Wiesengelände, vorbei an der Ruhmeshalle und hinaus bis zur Busstation! Dieser gemeinsame Auszug – angeführt von der Trachtenkapelle, die flotte Märsche anstimmte, und unserem Fahnenjunker mit der Vereinsfahne – war für uns genauso schön und unvergesslich wie der Festzug selbst, ein würdiger Abgang.
Die Shuttle-Busse brachten uns wieder zu unseren Bussen beim Großmarkt. Dort zogen wir uns teilweise bequemer an und tranken ein Bierchen oder ein Glas Wein zum Abschluss, Unsere beiden Busfahrer brachten ihre müde Fracht nun sicher wieder zurück nach Traun!
Vorbei nun der Zauber: Alle Vorbereitungen und Anstrengungen haben sich gelohnt – ein anstrengendes, aber unvergessliches Wochenende lag nun hinter uns und ich danke allen ganz, ganz herzlich für ihre Mitwirkung und ihren Beitrag. Besonderer Dank gebührt unserem Nachbarvater Kons. Dietmar Lindert für seinen unermüdlichen Einsatz. Die Siebenbürger Sachsen von Traun – Nachbarschaft, Jugend, Alte Jugend und Trachtenkapelle – haben ein tolles, gemeinsames Wochenende verbracht und in München einen sehr guten Eindruck hinterlassen! Diese schöne Erinnerung gibt uns viel Kraft fürs kommende Vereinsjahr.
Irene Kastner